Suche
Hauptinhalt

Donau

Schlögener Schlinge; © Ansichtskartensammlung Stift St. Florian

Die Donau erreicht die deutsch-österreichische Grenze unmittelbar nach Passau. Von hier bahnt sie sich ihren Weg durch die böhmische Masse (Schlögener Schlinge).

Auf der einen Seite ist sie vom Sauwald, auf der anderen vom Mühlviertel flankiert. Nach einem etwa 160 Kilometer langen Lauf in südöstliche Richtung verlässt sie das oberösterreichische Gebiet unweit von Sankt Nikola an der Donau. Sie hat auf dieser gesamten Strecke den Charakter eines Gebirgsflusses. Ihre beiden wichtigsten Nebenflüsse neben dem Inn sind die Traun und die Enns.
Als eine der ältesten europäischen Handelsrouten wurde sie seit frühester Zeit mit großen Kelheimern, Flößen und leicht gebauten Zillen, stromaufwärts (hohenauwärts) mit Schiffszügen befahren. Salz, Holz und Eisen gehörten zu den wichtigsten Transportgütern. Der Personenverkehr verlief auf der Donau lange Zeit hauptsächlich stromabwärts (nauwärts). Seit 1696 verkehrten zwischen Regensburg und Wien regelmäßig Ordinarischiffe. Diese nannte man in Oberösterreich Ulmer Plätten, in Ulm hingegen Wiener Zillen. Obwohl die  "Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft" 1829 gegründet wurde, erreichte erst am 13. September 1837 "Maria Anna" als das erste Dampfschiff Linz, es war zusätzlich noch mit Segeln ausgestattet. Doch die Ruderschifffahrt blieb bis Ende des 19. Jh. noch bestehen. Im Interesse der Schifffahrt hat man seit ca. 1770 gefährliche Felsen im Flussbett gesprengt. Endgültig hat man die Hindernisse im Weg der Schifffahrt durch die Errichtung von Staustufen bei Aschach (1964), Ottensheim-Wilhering (1973), Abwinden-Asten (1979), Wallsee-Mitterkirchen (1968) und schließlich Ybbs-Persenbeug (Niederösterreich) (1959) beseitigt. Die alle 20 bis 40 Kilometer erbauten Staudämme haben die alte strömende Donau in eine stromlose verwandelt und damit, so der ehemalige Schiffskapitän Adelbert Muhr (1896-1977) in seiner Romantrilogie Das Lied der Donau (1976), auch der Personenschifffahrt ein Ende bereitet.

Donaureisen und ihre Beschreibungen waren seit dem 18. Jh. beliebt. Zu den berühmten Reisenden, die über die österreichische Donau fuhren, gehörte die britische Reiseschriftstellerin Lady Mary Montagu (1689-1762), die Frau des türkischen Botschafters, die im Jahre 1716 auf ihrem Weg nach Konstantinopel eine Schiffsreise mit einem Ulmer Ordinarischiff von Regensburg nach Wien unternahm und die Schnelligkeit des Ruderschiffes sowie die Schönheit der abwechslungsreichen Landschaft pries. Der britische Musikhistoriker und Komponist Charles Burney (1726-1814), der auf seinen Reisen durch Europa das gesamte Musikleben seiner Zeit zu erfassen versuchte, unternahm im August 1772 eine siebentägige Reise von München nach Wien über Isar und Donau auf dem Floß. Die Beschreibung seiner gesamten Reise erschien unter dem Titel Present State of Music, auf Deutsch Tagebuch einer musikalischen Reise (1773). Er schildert Oberösterreich als das "waldreiche, wilde, romantische Land, welches für das Auge eines durchreisenden Fremden angenehm genug ist, den Einwohnern aber nichts liefert als Brennholz" (Burney 1948, 9). Lady Frances Trollope (1780-1863) unternahm im Jahre 1836 eine Reise von London nach Wien und stieg in Regensburg aufs Schiff. Sie hält u. a. die Beschwernisse der Donaufahrt in ihrem Tagebuch fest: "Ich habe noch nie einen Fluß gesehen, der sich so unbarmherzig windet und krümmt" (Trollope 1966, 113). Zudem bemerkt sie die Armut der Passagiere, von denen eine große Anzahl "als Entgelt für ihre Fahrt rudert" (ebd., 112). Auch die Brautfahrt der Kaiserin Elisabeth verlief 1854 über die Donau. Sie wurde ihrem Bräutigam, Kaiser Franz Joseph, in einem nach ihm benannten Dampfer entgegengeführt; eine Reise, die weit mehr "durch ihre Unterbrechungen als durch ihre Bewegung bestimmt" war, denn der Dampfer fuhr "wie ein gemächlicher Festwagen an den am Ufer versammelten Untertanen vorüber" (Vogel 1998, 34).
Als eine der gefährlichsten Stellen der oberösterreichischen Donau galt lange Zeit die Enge von Grein. Die ersten Arbeiten zur Erleichterung der Schifffahrt gehen auf Mitte des 16. Jh. zurück, doch erst 1777-1792 unter der Herrschaft von Maria Theresia begann man planmäßiger mit der Regulierung. Die Enge barg zwei Gefahren in sich, deren  Wirkungen einander "gleichsam diametral gegenüberstanden" (Schweiger-Lerchenfeld 1896, 467). Die eine war der Strudel (auch: Struden, Strum), eines der drei neben der Felseninsel Wörth liegenden Rinnsale, das mit einer Reihe von Klippen und Riffen durchsetzt und durch eine heftige Strömung charakterisiert war, die andere der Wirbel, der sich unterhalb der Felseninsel bildete. Während der Strudel bei Niedrigwasser für bedenkliche Situationen sorgte, tat dies der Wirbel bei hohen Wasserständen. Der Beschreibung der Gefahren dieser Stromstrecke sind besonders viele Texte gewidmet. Frances Trollope schreibt vom "kochenden Wirbel", der "zwar mit wenig wirklicher Gefahr verknüpft ist, aber [...] etwas Unruhe verursacht" (Trollope 1966, 124). Burney schreibt, man habe ihm "so viel davon vorgesagt, daß er mir lange nicht so gefährlich vorkam", als er erwartet hatte. "Die Londoner Schußbrücke ist schlimmer, ob sie gleich nicht so viel Getöse macht" (Burney 1948, 11).

Als Nikolaus Lenau 1844 von Wien die Donau hinauffuhr, verunglückte sein Schiff beinahe bei Grein durch die Begegnung mit zwei Lastschiffen. In einem Brief an Sophie Löwenthal vom 22. September 1844 beschreibt er die Gefährlichkeit des Augenblicks: "Die Borde fuhren nur zwei Zoll weit entfernt aneinander vorüber. Es ging glücklich vorbei und durch. In den Momenten des bedenklichen Nebeneinander herrschte auf beiden Schiffen die feierliche Stille der Todesnähe." (Lenau 1971, 1050). Adalbert Stifter erlitt 1850 auf einer Schiffsreise von Linz nach Wien auf dem Dampfboot Hunyadi bei Grein Schiffbruch, dabei verlor er auch einen Koffer mit einem Manuskript, da er von diesem "durch Roheit eines Schifscapitains" (Stifter 1972, 22) getrennt wurde, und musste mit seiner Frau nach Linz zurückkehren. Über Stifters Unfall berichtete auch die Allgemeine Zeitung. Der Donaureise, ihren Bequemlichkeiten wie Gefahren, wird in literarischen Texten oft eine symbolische Bedeutung unterlegt. Joseph von Eichendorff (1788-1857) beschreibt zuerst in seinem Tagebuch vom Mai 1807 die Donaugegend. Vom Norden kommend überquert er den Strom über eine hölzerne Brücke bei Linz und schwärmt von dem "eigenen südlich-italienischen Anstrich" der Landschaft (Eichendorff 1993, 216). 1808 unternimmt er zusammen mit seinem Bruder eine Schifffahrt von Regensburg bis Wien. Die Eindrücke der Reise werden in der Flussfahrt des Grafen Friedrich am Anfang des Romans Ahnung und Gegenwart (1815) wiedergegeben. Die Flussreise allegorisiert die Lebensfahrt: "Die Sonne war eben aufgegangen, da fuhr ein Schiff zwischen den grünen Bergen und Wäldern auf der Donau herunter. Auf dem Schiff befand sich ein lustiges Häufchen Studenten. [...] so fahre denn frische Jugend!" Der Wirbel von Grein wird als "wunderbarer Ort" geschildert, wo Gegensätze und Unsicherheiten dieser Lebensfahrt zu Tage treten. (Eichendorff 1985, 57). "In der Mitte des Stromes steht ein seltsam geformter Fels, von dem ein hohes Kreuz trost- und friedenreich in den Sturz und Streit der empörten Wogen hinabschaut. Kein Mensch ist hier zu sehen, kein Vogel singt, nur der Wald von den Bergen und der furchtbare Kreis, der alles Leben in seinem unergründlichen Schlund hinabzieht, rauschen hier seit Jahrhunderten gleichförmig fort. Der Mund des Wirbels öffnet sich von Zeit zu Zeit dunkelblickend, wie das Auge des Todes" (ebd. 58). Hier erblickt Graf Friedrich in einem anderen Schiff das erste Mal jene "hohe, junge, weibliche Gestalt" (Romana), die später seine Gegenspielerin wird. Um an dem erotisch-gefährlichen Assoziationsraum der Stromwirbel keinen Zweifel aufkommen zu lassen, sieht die Schöne "unverwandt in den Wirbel hinab" (ebd.).

Adalbert Stifter beschreibt die Donaufahrt im Ruderboot von Linz nach Wien in seiner Erzählung Feldblumen (1840) als eine wunderbare, der Sehnsucht der Seele am meisten entsprechende Form der Reise. Der Held dieser Tagebuchnovelle ist in einem entscheidenden Augenblick seines Lebens auf die Schnelligkeit eines Fahrzeugs angewiesen. Sein Zögern zwischen Land- oder Wasserreise wird sofort entschieden: "was hindert mich denn daran, sogleich ein Fischerschiffchen zu miethen, und so viele Ruderer, als hineingehen? Der Mond steht am Himmel, das Wasser geht voll - wie oft  hört‘ ich sagen, solche Leute können in einer Nacht von Linz nach Wien fahren [...]". Und in der Tat: "Meine Rudersmänner flogen mit mir die Donau entlang und ich war schon um acht Uhr früh [...] in Nußdorf" (Stifter 2005, 142f.). Im historischen Roman Witiko (1865) wird eine Fahrt von Witiko und Raimund von Passau bis Wien im 11. Jh. geschildert. Allerdings beschreibt Stifter die Donaufahrt so, "als hätte sie zu Beginn des 19. [...] Jahrhunderts stattgefunden" (Neweklowsky 1959, 126). Am markgräflichen Hof in Wien trifft Witiko den Ritter und Fiedler von Kürenberg und den als reale historische Figur gesetzten Heinrich von Oftering (sic!). Diese singen Witiko am Schluss des Romans von "einer noch größeren Vergangenheit, wie die Helden unverzagt in dem brennenden Saale gekämpft haben" (Stifter 1986, 876). Ihre Freundschaft ist im Roman auch topografisch untermauert, denn beide kommen aus der oberösterreichischen Donaugegend, Witiko fährt bei seiner Donaufahrt an ihren Stammsitzen vorbei. Damit knüpft Stifter an Vorstellungen von den österreichischen Wurzeln des Nibelungenliedes an (vgl. Knapp 1995, 346). Die Donau fungiert als symbolisches Bindeglied zwischen Witikos Geschichte und dem Heldenepos. Symbolträchtig ist die Donaufahrt auch in einem autobiografisch inspirierten Werk von August Strindberg. Strindberg verbrachte den Winter 1893/94 mit seiner zweiten Frau, der Journalistin Frida Uhl (Frida Strindberg), bei deren Großeltern in Dornbach an der Donau. Besonders mit dem Großvater, einem Beamten, entflammten Auseinandersetzungen u. a. um religiöse Fragen. Als die Familie gegen Strindbergs Willen darauf besteht, sein und Fridas Kind katholisch zu taufen, verlässt er Dornbach. Im unvollendeten Roman Kloster (1898) wird die Greiner Anlegestelle zu einem Berührungspunkt der großen und der kleinen Welt: "Als der Dampfer sich an dem schönen Herbstabend den Strom hinaufarbeitete, sah er noch einmal das kleine Haus mit den erleuchteten Fenstern. In diesem Augenblick war alles Böse und Hässliche, das er da erlebt hatte, wie ausgelöscht, und er spürte nur eine flüchtige Freude bei dem Gedanken, daß er befreit war aus dem Gefängnis, in dem er so sehr gelitten hatte. Er empfing nur Dankbarkeit und Wehmut, und einen Augenblick lang war das Band zu Frau und Kind so stark, daß er sich ins Wasser stürzen wollte. Aber dann machten die Schaufelräder des kleinen Dampfers ein paar heftige Bewegungen, das Band dehnte sich, streckte sich - und zerriß." (Strindberg 1967, 151)

Im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ist die Donau ein emblematischer Fluss unterschiedlicher Mitteleuropa-Vorstellungen geworden. Am Anfang des 19. Jh. wurde sie zu einer politische Identität stiftenden Landschaft der Habsburger Monarchie, am Ende des 19. Jh. wurde sie als österreichisches Pendant des rein deutschen Flusses, des Rheins, als "Nibelungenweg" (vgl. Neukert 1892) bzw. in den literarischen Bearbeitungen der Schwabenzüge für die deutschnationale Mythenbildung ausgeschlachtet (Adam Müller-Guttenbrunn, 1852-1923: Der große Schwabenzug, 1913). Zwei um die politische Wende in Ost-Mitteleuropa entstandene Werke, Claudio Magris‘ (geb. 1939) Donau (1988) und Péter Esterházys (geb. 1953) Donau abwärts (1991), versuchen die integrierende Rolle des Flusses nach nicht-imperialen und nicht-nationalen Vorstellungen zu erkunden. Bei ihnen wird der Fluss zur geografischen Matrix für eine postmoderne Poetik des Schreibens. Für den Triester Germanisten Magris löst sich im "Deltamäander" (Magris 1988, 469) der Schwarzmeermündung die "gebieterische[.] Einheit und Identität" des Flusses in ein "Gewirr" der Seitenarme auf (ebd., 472). Der ungarische Schriftsteller Péter Esterházy bezeichnet die Donau als den "flüssigen Code kultureller Vielfarbigkeit" (Esterházy 1992, 71). Auch Franz Tumler verortet in seinem langen Prosagedicht Sätze von der Donau (1972) Plätze seiner Linzer Kindheit ("Stadt die an der Donau lag / deren Gassen an den Fluß mündeten"; Tumler 1972, 8) innerhalb einer großen, als lebendiger Baum metaphorisierten Donau-Landkarte: "Nahm das Vergrößerungsglas und vergrößerte die Donau / sah nun auch ihre Mündungsarme wie Verzweigung von / Wurzeln eines zweiten Spiegelbildbaumes für den größeren / aus Flüssen eingesogenen Baum der mit feinen Wipfelzweigen heraufrauschte durch Trockenheit und gelbe Luft / in ein Stockwerk grüner Gebirge auf das der Großvater / zeigte und sagte // da hier da sind wir" (ebd., 52).

Edit Király

 

Burney, Charles: Dr. Charles Burney‘s musikalische Reise durch das alte Österreich (1772). Hg. von Bernhard Paumgartner. Wien 1948. - Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Erzählungen I. Hg. von Wolfgang Frühwald und Brigitte Schillbach. Frankfurt/Main 1985. - Ders.: Tagebücher, autobiographische Dichtungen, historische und politische Schriften. Hg. von Hartwig Schultz. Frankfurt/Main 1993. - Esterházy, Péter: Donau abwärts. Salzburg 1992. - Lenau, Nikolaus: Sämtliche Werke und Briefe in zwei Bänden. Frankfurt/Main 1971. - Magris, Claudio: Donau. Biographie eines Flusses. München, Wien 1988. - Montagu, Mary Wortley: Briefe aus dem Orient. Hg. von Irmela Körner. Wien 2006. - Muhr, Adalbert: Das Lied der Donau. Romantrilogie. Wien 1976. - Stifter, Adalbert: Sämtliche Werke, Bd. XVIII (Briefwechsel, Bd. 2. Hg. von Gustav Wilhelm). 2. Aufl. Hildesheim 1972. - Ders.: Witiko. Vollständige Ausg. nach dem Text des Erstdrucks von 1865-67. München 1986. - Ders.: Sämtliche Erzählungen nach den Erstdrucken. Hg. von Wolfgang Matz. München 2005. - Strindberg, August: Kloster. Einsam. Zwei autobiographische Romane. Hamburg, Düsseldorf 1967. - Trollope, Frances: Briefe aus der Kaiserstadt. Stuttgart 1966. - Tumler, Franz: Sätze von der Donau. München 1972.

Der Dichter des Nibelungenliedes im österreichischen historischen Roman des 19. Jahrhunderts. In: 3. Pöchlarner Heldengespräch. Die Rezeption des Nibelungenliedes. Hg. von Klaus Zatloukal. Wien 1995, 344-346. - Neukert, Hermann: Der Weg der Nibelungen. Charlottenburg 1892. - Neweklowsky, Ernst: Stifter und die Donauschiffahrt. In: VASILO (= Vierteljahresschrift des Adalbert-Stifter-Institutes) 8 (1959) H. 3/4, 121-129. - Schweiger-Lerchenfeld, Armand von: Die Donau als Völkerweg, Schiffahrtsstraße und Reiseroute. Wien u. a. 1896. - Vogel, Juliane: Elisabeth von Österreich. Momente aus dem Leben einer Kunstfigur. Mit einem kunstgeschichtlichen Exkurs von Gabriela Christen. Frankfurt/Main 1998.