Suche
Hauptinhalt

Sylvester Wagner

Zeichnung aus: Hermann F. Wagner: Salzburger Gsanga, Salzburg 1901.

Geb. 31.12.1807 in Henndorf/Wallersee; gest. 10.10.1865 ebd.
Aus dem Salzburger Flachgau stammend hatte der mundartlich und hochdeutsch dichtende Autor Kontakt zu oberösterreichischen Literaten und war aktiv an der Revolution von 1848 beteiligt.

Als Sohn eines einfachen Handwerkers durchlief Sylvester Wagner eine für seine Verhältnisse beachtliche Bildungslaufbahn, die ihn nach dem Besuch des Gymnasiums und nach einem abgebrochenen Theologie-Studium in Salzburg an der Universität Wien Medizin und Astronomie studieren ließ. 1848 erhielt er vermutlich eine Aushilfsstelle an der Wiener Sternwarte - die ohnedies spärlichen biografischen Quellen geben z. T. unterschiedliche Informationen wieder.

Als sicher gilt, dass er bereits Anfang der 1840er-Jahre mit Franz Stelzhamer, Karl Adam Kaltenbrunner sowie Adalbert Stifter in Kontakt kam. Stelzhamer und Kaltenbrunner lieferten die Vorbilder für Wagners Gedichte in Salzburger Mundart, die 1847 als Salzburgá Bauern-Gsángá erschienen. Diese Sammlung von größtenteils humorvoll-launigen Vierzeilern, sgn. Schnadahüpfln und Wechselgesängen zwischen Mann ("Bue") und Frau ("Dierndl"), gibt Einblick in die dörfliche Lebenswelt und den Alltag ihrer Bewohner. Beliebtestes Thema neben der Formulierung verschiedener Lebensweisheiten ist natürlich die Liebe: "A Löbn ohne Lieb / Is an eing'frorna Brunn, / Is a Nacht ohne Stern / Und a Tag ohne Sunn." (1901, 114)
Daneben verfasste Wagner Beiträge für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (u. a. Intelligenzblatt zur Wiener Zeitung, Wiener Theaterzeitung, Der Humorist, Österreichische Blätter für Literatur und Kunst) sowie Kalendarien. Besonders erwähnenswert ist seine Mitarbeit an dem von Stifter herausgegebenen Sammelband Wien und die Wiener (1844). Nicht weniger als 21 - mehr als ein Drittel - der "sozialgeschichtlich interessanten Milieu- und Standes-Charakteristiken" aus dem Alltag der Großstadt stammen aus seiner Feder; "seinen Beiträgen eignet durchaus ein merklicher sozialkritischer Unterton" (Lachinger 2005, 11). Wagner schildert darin das Leben einfacher, sozial meist wenig privilegierter Menschen (u. a. "Der Kohlbauer", "Der Kellner", "Das Milchweib", "Der Knochensammler", "Die Knödelköchin", "Die Oebstlerin", "Die Bradelbrater"), landschaftliche Stimmungsbilder sowie "Wiener Volks-Faschingsscenen".

Die 1848 geplante Veröffentlichung eines neuen Bandes des Oberösterreichischen Jahrbuches, als dessen Herausgeber er zudem fungierte - neben Kaltenbrunner und Stelzhamer waren u. a. auch der Geschichtsforscher Anton Ritter von Spaun (1790-1849) sowie die beiden Revolutionäre Ernst Krackowizer (1821-1875) und Friedrich Wilhelm Arming (1805-1864) an dem Projekt beteiligt - und eines zweiten Teils der Bauern-G'sanga wird durch die Ereignisse der Oktoberrevolution 1848 verhindert. Wagner verlässt Wien fluchtartig, in Salzburg soll er versucht haben, Freiwillige für das Bürgerheer zu gewinnen, und sich in den Wäldern des Flachgau versteckt gehalten haben. Erst die Aufhebung des Standrechts und die beschränkte Amnestie im März 1849 ermöglichen ihm, als Schreiber in Neumarkt/Wallersee tätig zu werden. Ab 1850 soll er diese Tätigkeit in seiner Heimatgemeinde Henndorf ausgeübt haben; belegbar scheint aber bloß die Funktion als "Fleischbeschauer" (vgl. Weiß 1992, 308). 1857 heiratet er Elisabeth Schallhamer und lebt in äußerst bescheidenen Verhältnissen (vgl. Wagner 1901, XIII).

"Das Revolutionsjahr hatte alle, alle Hoffnungen eines ebenso freisinnigen, als deutschgesinnten Dichters und Schriftstellers, wie es Wagner war, zerstört." (ebd., XIV) Seine literarischen Produktionen wurden seitdem nicht mehr neu veröffentlicht. Bereits zu Lebzeiten wenig bekannt, gerät er nach seinem Tod und einem Nachruf Franz Stelzhamers (Elegie) in Vergessenheit. Im Roman Philomena Ellenhub (1937) des Salzburger Dichters Johannes Freumbichler (1881-1949), Thomas Bernhards Großvater, wird er als "Sterngucker" Sylvester, Revolutionär und Bruder der weiblichen Titelfigur porträtiert.

Bernhard Judex (unter Mitarbeit von Silvia Bengesser)

 

Der Hahnenpfalz. Eine Dorfgeschichte aus der Gegend des Unterberges. In: Oberösterreichisches Jahrbuch für Literatur und Landeskunde 2 (1845). - Salzburgá Bauern-Gsángá. Wien 1847. - Salzburga Gsanga. 2. mit dem Nachlasse vermehrte Aufl. Hg. von Hermann F. Wagner. Salzburg 1901. - Beschreibung von Wien als Wegweiser für Fremde. Wien 1847. - [21 Beiträge in:] Stifter, Adalbert (Hg.): Wien und die Wiener, in Bildern aus dem Leben. Stuttgart 2005 (= Adalbert Stifter: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hg. von Alfred Doppler und Hartmut Laufhütte, Bd. 9.1. Hg. von Johann Lachinger).

Deutsches Verfasserlexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Hg. von Hubert Herkommer und Konrad Feilchenfeldt. 3. neu bearb. Aufl. Zürich, München 2007, Bd. 27, 280. - Dieter, Heinrich: Der Salzburgische Dichter Sylvester Wagner. Eine Skizze seines Lebensgangs mit Proben seiner Mundartdichtungen. (Vortrag am 12.11.1896). Salzburg 1897. - Freumbichler, Johannes: Philomena Ellenhub. Ein Salzburger Bauernroman. Berlin u. a. 1937 [Neuaufl.: Frankfurt/Main 2009]. - Heckner, Richard: Wagner, Sylvester. In: Killy Literaturlexikon. 2. vollst. überarb. Aufl. Hg. von Wilhelm Kühlmann. Berlin, Boston 2011, Bd. 12, 85. - Lachinger, Johann: Zur Edition. In: Stifter, Adalbert (Hg.): Wien und die Wiener, in Bildern aus dem Leben, a. a. O., 9-14. - Salzburger Kulturlexikon. Hg. von Adolf Haslinger und Peter Mittermayr. Salzburg, Wien 1987, 520. - Wagner, Hermann F.: Einleitung. In: Sylvester Wagner: Salzburga Gsanga, a. a. O., V-XIX. - Ders.: Zur Jahrhundertfeier des Salzburger Volksdichters Sylvester Wagner. (Separat-Abdruck aus dem "Salzburger Tagblatt".) Salzburg 1908. - Weiß, Alfred Stefan: "Es wird hier ungeheuer fleißig gearbeitet (...)". Henndorfs Literaten, Mundartdichter und Sänger in Vergangenheit und Gegenwart. In: Ders., Karl Ehrenfellner und Sabine Falk (Hg.): Henndorf am Wallersee. Kultur und Geschichte einer Salzburger Gemeinde. Henndorf 1992, 304-350.