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Walter Kohl

© Paul Feuersänger

Geb. 8.2.1953 in Linz.
Der Ex-Journalist ist als Dramatiker, Hörspielautor, Erzähler und Herausgeber vielseitig tätig.

Walter Kohl stammt aus der Arbeiterschicht. Sein Vater war Maurer, seine Mutter Hausfrau, die Familie lebte in Schönering. Kohl besuchte das Stiftsgymnasium Wilhering, wo er 1971 maturierte. Sein Interesse an Literatur erwachte schon in der Schulzeit und blieb kontinuierlich erhalten, obwohl Kohls beruflicher Werdegang zunächst eine andere Richtung nahm. Nach der Matura studierte er an der Universität Linz Betriebswirtschaftslehre, schloss aber das Studium nicht ab. Durch Gelegenheitsarbeiten geriet er in das Berufsfeld Autovermietung, wo er aber nicht lange blieb. 1977 bewarb sich Walter Kohl bei der Rundschau (Linz Land) um eine Stelle als Journalist, 1988 wechselte er als Oberösterreich-Korrespondent zu Die Presse.

Zu einer biografischen Zäsur kam es Mitte der neunziger Jahre. Kohl entschloss sich, freier Schriftsteller zu werden. Mit wachsenden literarischen Ambitionen - 1992 erschien der erste Roman Katzengras - wurde die journalistische Arbeit mehr und mehr zur Belastung. Ein anderer Grund für die grundsätzliche Neuorientierung war auch ein folgenreicher Sturz mit dem Fahrrad, der zum Verlust des Geruchssinns führte. Diese schwere Krisenerfahrung schildert der Autor in seinem Buch Wie riecht Leben? Bericht aus einer Welt ohne Gerüche (2009).
Literarische Texte verfasste Walter Kohl schon als Gymnasiast, die erste Publikation, ein Prosatext, erschien 1977 in Die Rampe. Als junger Leser war Kohl vor allem von der amerikanischen Literatur fasziniert, von Realisten wie Hemingway, mehr aber noch von der Literatur der Avantgarde, vor allem von Allen Ginsberg. Von den Österreichern schätzte er vor allem Konrad Bayer, Gerhard Rühm, den jungen Peter Handke und Texte der Beat-Generation. Interessant ist, dass diese Vorlieben des Lesers Walter Kohl die literarische Ästhetik des Autors nicht erkennbar beeinflussten.

Kohls Werke sind im Großen und Ganzen dem Realismus zuzuordnen, wobei aber die Kategorisierung "Sozialer Realismus" zu eng wäre, da Kohls bisher vorliegendes Gesamtwerk thematisch facettenreich ist. Werke, die dokumentarischen Charakter haben, sind unter anderem Die Pyramiden von Hartheim - Euthanasie in Oberösterreich (1997), "Ich fühle mich nicht schuldig". Georg Reno, Euthanasiearzt (2000), Die Poldi. Das Leben einer Linzer Arbeiterin (2006)und Nacht, die nicht enden will (2007), ein Buch über den Schutzbündler und Widerstandskämpfer Fritz Inkret. Die Pyramiden von Hartheim wurde 1998 mit der Musik von Herwig Strobl auch als "Szenisches Oratorium" aufgeführt. Kohls erfolgreichstes Theaterstück ist das sozialkritische Jugendstück ritzen (Uraufführung 2002), das auf deutschsprachigen Bühnen zahlreiche Inszenierungen erlebte.

Walter Kohl lebt mit seiner Familie in Eidenberg (Mühlviertel). Er ist Mitglied der Grazer Autorenversammlung und engagierte sich mehrmals in Gemeinschaftsprojekten, vor allem mit Rudolf Habringer und Andreas Weber (geb. 1961; Kulturverein Netzwerk Memoria), die auch in Publikationen dokumentiert sind, u. a. in Hinter dem Niemandsland - za zemi nikoho (2003), Stifter reloaded (2005) und Ritalin Baby (2008).
Einige Bücher von Walter Kohl sind autobiografische Erzähltexte, das bereits erwähnte Wie riecht Leben? Bericht aus einer Welt ohne Gerüche, weiters Mutter gesucht. Die Geschichte dreier ungleicher Schwestern (2012) und Ein Bild von Hilda als toter Mensch (2015). Auch Walter Kohls selbstironisches Bekenntnis zur Formel 1 (Senna lebt, 2004) ist unter die autobiografischen Werke einzureihen.
Will man in der Fülle der bisherigen Publikationen von Walter Kohl eine Art Opus magnum benennen, so bietet sich sein 450 Seiten umfassender Roman Das leere Land (2011) an. Das Hauptthema ist Heimatverlust, auf mehreren Zeitebenen, in unterschiedlichen Räumen: Auswanderung der romanischen Bevölkerung zur Zeit des Hl. Severin, Lebensräume nordamerikanischer Indianer, Bleiberecht für ein bosnisches Mädchen in Österreich, sich fremd Fühlen in der Heimat.

Kohl erhielt u. a. folgende Auszeichnungen: Mira-Lobe-Stipendium 2003, Hörspielpreis "Ohrwurm" für ritzen 2004, Österreichischer Jugendbuchpreis für fuck off, Koff 2005, OÖ. Landeskulturpreis 2013.

Christian Schacherreiter

 

Katzengras. Roman. Steyr 1993. - Spuren in der Haut. Roman. Rainbach 1995. - Die Pyramiden von Hartheim - Euthanasie in Oberösterreich. Dokumentation. Rainbach 1997. - "Ich fühle mich nicht schuldig". Georg Renno, Euthanasiearzt. Wien 2000. - [Gemeins. mit Rudolf Habringer und Andreas Weber:] Hinter dem Niemandsland - za zemi nikoho. Rainbach 2003. - fuck off, Koff. Jugendroman. Hamburg 2004. - Good Hope. Der Verschwinder. Oder: Warum bringen sich Indianer um? Roman. Weitra o. J. [2004]. - Senna lebt. Die Formel 1: Wie man Fan wird, ist und bleibt. Linz 2005. - [Gemeins. mit Rudolf Habringer und Andreas Weber:] Stifter reloadded. Wien 2005. - Die Poldi. Das Leben einer Linzer Arbeiterin. Rainbach 2006. - Nacht, die nicht enden will. Graz 2007. - [Gemeins. mit Andreas Weber:] Ritalin Baby. Weitra 2008. - Wie riecht Leben? Bericht aus einer Welt ohne Gerüche. Wien 2009. - Das leere Land. Wien 2011. - Mutter gesucht. Die Geschichte dreier ungleicher Schwestern. Wien 2012. - [Gemeins. mit Reihaneh Youzbashi Dizaji:] HundertKöpfeFrau. Wien 2014. - Ein Bild von Hilda als toter Mensch. Wien 2015.

Höller, Hans: Laudatio auf den Landeskulturpreisträger Walter Kohl. In: Die Rampe 2014, H. 1, 37-38.

Stand: 4.11.2015