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Fritz Habeck

© Bildarchiv Austria / ÖNB, Wien

Geb. 8.9.1916 in Neulengbach (NÖ), gest. 16.2.1997 in Baden bei Wien.
Fritz Habeckgilt als einer der wenigen Existenzialisten der österreichischen Literatur nach 1945.

Der Sohn eines Richters beginnt ein Jus-Studium, rückt 1937 als Einjährig-Freiwilliger ins österreichische Bundesheer ein und wird 1938 in die Deutsche Wehrmacht übernommen (1940 Leutnant, 1943 Oberleutnant). Er kämpft in Polen, Russland und gerät bei der Invasion in der Normandie 1944 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 nach Wien zurückkehrt. Der dreißigjährige Kriegsheimkehrer arbeitet als freier Journalist (u. a. Wiener Kurier, Arbeiter Zeitung), Regieassistent, Dramaturg, er versucht sich auch als Dramatiker und absolviert 1949/50 die fehlenden Staatsprüfungen zum Doktor Juris.
Sein literarisches Debüt Der Scholar vom linken Galgen, die (NS-kritische) Romanbiografie von François Villon erscheint 1941. Habecks Karriere als Schriftsteller beginnt 1951 mit dem Kriegsroman Das Boot kommt nach Mitternacht. Er gilt in der österreichischen Nachkriegsliteratur als ein Protagonist des (literarischen) Wiederaufbaus, ein viel übersetzter Unterhaltungsschriftsteller, der in den 1960er Jahren auch international erfolgreiche Jugendbücher schreibt, z. B. Der Kampf um die Barbacane (1960). Dabei hat er in Romanen wie Das zerbrochene Dreieck (1953) oder in zahlreichen Kurzgeschichten über österreichische (Geschichts-)Lügen, Betrug und Kriegsgewinnler seine empörte Kritik an der um Vergessen, Verzeihen und Verdrängen bemühten Ideologie des österreichischen Wiederaufbaus immer wieder formuliert. Auf die Bedeutung dieses Autors als Ausnahmeerscheinung in der nachkriegsösterreichischen Literaturlandschaft hat Robert Menasse (geb. 1954) in Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik (1990) hingewiesen - mit einer Analyse von Habecks Hauptwerk, der Familiensaga Der Ritt auf dem Tiger (1958), von der Kritik als die "österreichischen Buddenbrocks" gefeiert.

Habeck gehört in der Literaturszene der Nachkriegszeit weder zur Gruppe der "Jungen" um Hans Weigel (Friederike Mayröcker, Ernst Jandl, Ingeborg Bachmann, Erich Fried, H.C, Artmann, Paul Celan, Ilse Aichinger, Marlen Haushofer u. a.) noch zu den "Alten" (Franz Theodor Csokor, Rudolf Henz, Max Mell, Franz Nabl, Karl Heinrich Waggerl u. a.) Er wird als Militarist kritisiert, doch die "Konservativen" sehen ihn als "Linken", der die Leistung der aus dem Krieg ins zerstörte Land heimgekehrten Arbeiter beim Wiederaufbau, die Unmenschlichkeit des Militärs sowie die Sinn- und Wertdefizite der österreichischen Nachkriegszeit beschreibt. Einerseits vertritt er im Bestreben, ein Gegenkonzept zu nihilistischen Strömungen der 1950er Jahre zu entwerfen, jene realistische Erzähltradition, von der sich die experimentell avantgardistische Literatur der 1960er Jahre absetzt, andererseits ist in seinem Werk der Einfluss des französischen Existenzialismus deutlich erkennbar.
Habeck sucht und findet den (brieflichen) Kontakt zu seinem literarischen Über-Ich Ernest Hemingway (1899-1961). Dies führt zwischen 1950 und 1952 zu einem sehr persönlichen Briefwechsel, doch Habeck schreibt keine "literarischen" Bestseller, die Verbindung von Kunst und Kommerz gelingt ihm nie ganz. Er hat Zeit seines Lebens eine (mitunter sechsköpfige) Familie zu ernähren. Neben seinen Romanen und Jugendbüchern schreibt er unter dem Pseudonym Glenn Gordon Kriminalromane, Biografien (z. B. Der verliebte Österreicher oder Johannes Beer; 1961; vgl. Johann Beer), Hörspiele und gemeinsam mit Erich Maria Remarque (1898-1970) das Drehbuch für den Film Der letzte Akt (1954). Er arbeitet als Hoteldirektor in Tirol und ab 1953 als Lektorbeim Österreichischen Rundfunk, wo er von 1968 bis zu seiner Pensionierung 1977 die Abteilung Literatur des ORF-Studios Wien leitet. Ab Mitte der 1970er Jahre besaß er im Thomastal nahe Grein (OÖ) ein Wochenendhaus, das er zum Schreiben nutzte. Heute noch gesendet und als CD-Ausgabe erhältlich ist seine zwölfstündige Produktion der Letzten Tage der Menschheit von Karl Kraus. Sein Werk wird ab 1949 mit zahlreichen Preisen gewürdigt, darunter der Adalbert-Stifter-Preis 1973, zuletzt der Manès-Sperber-Preis 1997.

Andreas Weber

 

Der Scholar vom linken Galgen. Wien 1941. - Das Boot kommt nach Mitternacht. Wien 1951. - Das zerbrochene Dreieck. Wien 1953. - Das Rätsel der müden Kugel. Kriminalroman. Wien 1955 (unter dem Pseudonym Glenn Gordon). - Der Ritt auf dem Tiger. Wien 1958. - Der Kampf um die Barbacane. Wien 1960. - Der verliebte Österreicher oder Johannes Beer. Graz 1961. - Der einäugige Reiter. Wien 1963. - Aufstand der Salzknechte. Wien 1967. - François Villon oder die Legende eines Rebellen. Wien 1969. - Wind von Südost. Wien 1979.

Hopf, Karl: Die gestrandete Generation. F. H. u. sein Werk. In: Neue Wege. Theater der Jugend 1971, H. 3, 10-13. - Kraus, Wolfgang: Die "verlorene Generation" diesseits der Grenzen. In: Wort in der Zeit 1960, H. 1, 9-13. - Menasse, Robert: Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik - Ein Essay über die II. Republik im Spiegel ihrer Literatur. Wien 1990, bes. 75-82 - Weber, Andreas (Hg.): Dear Fritz - Gespräche und Texte über Fritz Habeck. St. Pölten 1998.