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Frankenburger Würfelspiel

Der historische Bezugspunkt des im Zwei-Jahres-Rhythmus aufgeführten Frankenburger Würfelspiels liegt bereits im Jahr 1625.

Die Geschehnisse rund um das "Blutgericht am Haushamerfeld" im Hausruck repräsentieren ein lokal geprägtes und doch in vielfacher Weise wiederholtes Ereignis im Rahmen der religiös und politisch motivierten Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648): Der Herrscher (hier: Kaiser Ferdinand II) setzt die im Augsburger Religionsfrieden (1555) vereinbarte Religionsautokratie durch, seine ausführenden Organe bedienen sich im Kriegsfall des Schnellgerichts und in diesem Zusammenhang auch des Gottesurteils durch Würfelentscheid.
Gerade dieses Ereignis ist im historischen Gedächtnis Oberösterreichs außerordentlich stark verankert. Einerseits stellt es in der Geschichte der evangelischen Konfession einen markanten Meilenstein dar und berührt andererseits durch die besonderen Umstände der Urteilsfindung und -vollstreckung das Bewusstsein eines rechtstaatlich sozialisierten (modernen) Menschen. Die Ereignisse in Frankenburg und Pfaffing gelten zwar nicht als unmittelbarer Anlass, aber doch als wesentlicher emotionaler Impuls für den Ausbruch des Oberösterreichischen Bauernkriegs (1626).
Für die Vorfälle in Frankenburg gab es so wie für den Oberösterreichischen Bauernkrieg im folgenden Jahr mehrfache Ursachen: die durch zusätzliche Abgaben immer drückender werdende Not der Bevölkerung im Zuge der Verpfändung des Landes Oberösterreich an den Bayernherzog Maximilian, schlechte Ernten in den vorangegangenen Jahren, die Last der Einquartierung von bayrischen Soldaten, die Rekatholisierungsmaßnahmen durch die Habsburger in Wien in einem bis zu 80 Prozent protestantischen Land und das kompromisslose Durchgreifen der handelnden Verantwortlichen aus Linz unter dem von den Bayern seit 1620 eingesetzten Statthalter Graf Adam von Herberstorff (1585-1629). 

Inhaltlicher Kern des 1925 uraufgeführten und von dem aus Ried stammenden und in Wels wirkenden Journalisten und Schriftsteller Karl Itzinger verfassten Dramas ist der Widerstand von Bürgern und Bauern des Marktes Frankenburg im Jahre 1625 gegen die Einsetzung eines katholischen Pfarrers, die darauf folgende Belagerung des Pflegers Abraham Grienpacher im Frankenburger Schloss und das wenige Tage später einberufene Strafgericht am "Haushamerfeld": Dort werden - trotz des Versprechens der Straffreiheit - 38 vermeintlich Hauptverantwortliche wegen Mangels an Beweisen zum Würfeln über Leben und Tod gezwungen, 17 von ihnen schließlich öffentlich hingerichtet.
Basierend auf diesen historischen Grundlagen entwickelte Itzinger einen Roman (Der Bauerntod) und dramatisierte diesen für die 300-Jahr-Gedenkfeier am Haushamerfeld in Pfaffing im Auftrag des "Deutsch-völkischen Turnvereins Frankenburg". Aufführungen in Frankenburg und anderen Orten folgten; aus Respekt vor den schauspielerischen Anforderungen des Stückes wurden Hauptrollen auch von professionellen Schauspielern besetzt. 1936 bewirkte eine Neufassung von Eberhard Wolfgang Möller anlässlich der Olympischen Spiele in Berlin vor 20.000 Zuschauern einen beträchtlichen Anstieg der Popularität des Stückes. In Frankenburg selbst wurde es wegen seiner antikatholischen Tendenz erst wieder 1938/39 aufgeführt - auf einer neu geschaffenen Freilichtbühne.
Die Sprache der Itzinger-Fassung ist durch eine Vermischung von mundartlicher Prosa, Hochsprache und Versmaß charakterisiert, die nicht durchgehend widerspruchsfrei und überzeugend ist. In den neueren Fassungen wird - auch im Sinne einer besseren Verständlichkeit - einer einheitlicheren Sprachgestaltung mehr Bedeutung zugemessen. Aus der Vereinnahmung durch die NS-Blut-und-Boden-Dichtung löste sich das Stück erst nach 1950 durch eine Neufassung von Franz Neudorfer, der den Text dramaturgisch straffte und von national-ideologischen Einsprengseln befreite.

In der Folge entwickelte sich das Frankenburger Würfelspiel im Laufe des letzten halben Jahrhunderts (mit ca. 15.000 Besucherinnen und Besuchern pro Saison) zu einem sehr populären und immer wieder neu inszenierten Stück über einen Teil der oberösterreichischen Geschichte, die es in seiner Entwicklung zugleich widerspiegelt. Fast 500 mitwirkende Laienschauspieler, organisiert von der Frankenburger Würfelspielgemeinde, bieten im gegenwärtigen Frankenburger Würfelspiel ein eindrucksvolles und durch die spektakuläre Naturbühne geprägtes Theatererlebnis. Der thematische Brennpunkt des Spiels liegt heute auf einem stets aktuellen Konfliktfeld des modern-demokratischen Verständnisses: der Beziehung von Recht, Gerechtigkeit und Widerstand.

Hans Gebetsberger

 

Itzinger, Karl: Der Bauerntod. Eine Geschichte aus der Leidens- und Heldenzeit des Landes ob der Enns; das Vorspiel des Bauernsterbens. Graz, Leipzig 1925. - Ders.: Das Frankenburger Würfelspiel. Festspiel des deutschvölkischen Turnvereines Frankenburg anläßlich der Enthüllung des Denkmales am Haushamerfelde am 15. August 1925. Frankenburg 1925. -  Ders.: Ein Volk steht auf. Romantrilogie (= Bd. 1: Das Blutgericht am Haushamerfeld. Graz, Leipzig 1935; Bd. 2: Es muß sein! Graz, Leipzig 1936; Bd. 3: Ums Letzte, Graz, Leipzig 1937).

Gebetsberger, Hans: Das Frankenburger Würfelspiel. Würfelspielwanderweg. Ein vertiefender Gang durch die Geschichte. Ried o. J. - Krebs, Johann: Die literarische Rezeption des oberösterreichischen Bauernkrieges. In: Oberösterreichische Heimatblätter 1989, H. 3. - Rainer, Hannelore: Das Frankenburger Würfelspiel. In: Michael Bünker, Karl W. Schwarz (Hg.): protestantismus & literatur. ein kulturwissenschaftlicher dialog. Protestantische Beiträge zu Kultur und Gesellschaft 1. Wien 2007, 70-93. - Schmidt, Adalbert: Der Bauernkrieg in literarischer Sicht, in: Um Macht und Recht, Linz 1976. - Sturmberger Hans: Adam Graf Herberstorff. Herrschaft und Freiheit im konfessionellen Zeitalter. Wien 1976. - Willibald, Ferdinand: 80 Jahre Frankenburger Würfelspiel. Ried/Innkreis 2005.

Stand: 16.4.2015