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Der Trauermantel

Cover der Erstausgabe 1945

Erzählung von Johannes Urzidil, erschienen 1945 im Verlag Friedrich Krause (New York).

Johannes Urzidil schildert in seiner letzten vor der Emigration verfassten, in den USA überarbeiteten und 1945 in New York erstmals publizierten Erzählung Der Trauermantel die Kindheit und den Werdegang Adalbert Stifters bis zum Erscheinen seiner ersten Erzählung. Der Titel leitet sich von der Bezeichnung des Schmetterlings ab, den der kindliche "Bert" zu Beginn der Erzählung vergeblich zu fangen versucht. Der Mantel der Trauer trennt jedoch auch in übertragenem Sinn den herangewachsenen Stifter von seiner Kindheit (und den emigrierten Urzidil von seiner verlorenen Heimat).
Urzidil mischt bekannte und imaginierte Episoden aus Stifters Leben: seine scheue Zuneigung zu "Zlatekröndl" (Goldkrönchen), der Tochter des jüdischen Händlers Abdias Kohn, der Oberplan verlässt, nachdem sein Haus von grölenden Männern attackiert worden war; seine Angst vor dem übermächtigen Vater, der wie ein "Gewölbe" ist, in dem der Junge zugleich "gefangen" und "geschützt" lebt. Dieses Gewölbe stürzt ein, als der Vater "im Österreichischen" tödlich verunglückt und Stifter als armen "Leinwebersohn" zurücklässt.In seinen Träumen malt sich der Halbwaise Lebenswelten aus, die seine späteren Romane vorwegnehmen, ohne dass Urzidil Namen oder Titel zitiert. Alle Hinweise sind legendenhaft schwebend. Erst vor der "verwirrenden" Vielfalt der Großstadt wird dem Studenten der Wald zur "Erscheinung der Heimat". Er studiert ohne festes Ziel, möchte Dichter und Maler werden, zur "Verwandtschaft" des verehrten "Weimarer Greises" gezählt werden und bleibt doch "ein armer Teufel, ein Prüfungsversäumer". Das "Mädchen aus Friedberg" hätte er gewinnen können, "wenn er gewesen wäre wie die anderen". Doch nur "aus den schmerzhaftesten Verzichten" kann ein Dichter aus ihm werden. Am Ende der Erzählung begegnet Stifter in der Praterau einem alten Herren, der Goethe noch gekannt hat, dem Hofrat Grüner aus Eger. Auf seiner Bank liegt eine Zeitschrift mit dem Titel Der Kondor. Eine Erzählung von Adalbert Stifter.

Peter Becher

Der Trauermantel. Eine Erzaehlung aus Stifters Jugend. New York 1945. - Der Trauermantel. München 1955. - Der Trauermantel. Eine Erzählung aus Stifters Jugend. / ÄŒerno-pláštník. Povídka z mládí Adalberta Stiftera. In Johannes Urzidil: Poslední host / Der letzte Gast. Bilingvní vydáni. Hg. von Milada Urbanová, Vladimír Musil u. a. Vydavatelství a nakladatelství Srdce Vltavy. Horní Planá 1999, 15-65.

Doppler, Alfred: Wie sieht Johannes Urzidil Adalbert Stifter? In Johannes Urzidil und der Prager Kreis. Vorträge des römischen Johannes-Urzidil-Symposions 1984. Hg. von Johann Lachinger, Aldemar Schiffkorn und Walter Zettl. Schriftenreihe des Adalbert-Stifter-Instituts des Landes Oberösterreich, Folge 36. Linz 1986, 107-112. - Trapp, Gerhard: Chronik und Menetekel. Zu Johannes Urzidils Erzählungen aus dem Böhmerwald. In: Vierteljahresschrift des Adalbert-Stifter-Institutes des Landes Oberösterreich 41 (1992), H. 1/2, 51-62. - Tschechische und deutsche Fassung: Kronika a menetekel. K šumavským povídkám Johannese Urzidila. / Chronik und Menetekel. Zu Johannes Urzidils Erzählungen aus dem Böhmerwald. In: Johannes Urzidil: Poslední host. / Der letzte Gast. Bilingvní vydáni. Hg. von Milada Urbanová, Vladimír Musil u. a. Übersetzt von Anna Nováková und JindÅ™ich Buben. Illustriert von Eva Prokopcová. Horní Planá: Srdce Vltavy 1999, 155-175.